Ovid - wieder einmal im Kriminalroman
Zu Veit Heinichen: Im eigenen Schatten (2013)
Veit Heinichen ist den Lesern italophiler und italienbasierter Kriminalromae bestens bekannt. Sein Kommisar Proteo (nicht vom Meergott Proteus, sondern vom wissenschaftlichen Namen des Grottenolms abgeleitet) ermittelt in Triest und überhaupt im nord(ost)italienischen und slowenisch-kroatischen Raum (wohin ihn auch private Neigungen ziehen).Der soeben erschienene Roman Im eigenen Schatten (die Handlung - geschweige denn die Lösung - sei hier nicht verraten) greift in die jüngere Vergangenheit zurück und ruft die gewaltsamen Südtiroler Autonomiebestrebungen, die bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts reichen, ins Gedächtnis.
Und noch weiter in die Vergangenheit führt uns die folgende Szene, die auf einem Boot vor der Adriaküste spielt. Die Gradoer Kollegin Laurentis, die Kommisarin Xenia, und ihr Freund, der im Beinaheprekariat lebende Lehrer Zeno, wollen ihre Sorgen bei einer nächtlichen Bootsfahrt vergessen:
"Die Metamorphonsen beginnen mit der Entstehung der Welt aus dem Chaos, Liebling", sagte Zeno und stieß den Rauch aus.
Xenia hatte sich eng in den Arm ihres Freundes geschmiegt, als er Ovid aus dem Gedächtnis zitierte. Kleine Schweißperlen standen noch auf der nackten Haut der beiden. Doch die Luft war lau.
"Nur ein Menschenpaar überlebt die große Flut. So behauptet es die Geschichtsschreibung der alten Griechen. Es scheint, als hätten schon sie die Sintflut gekannt. Deukalion und Pyrrha standen vor dem Rätsel, wie sie die Erde wieder bevölkern könnten, und befragten ein Orakel, das verkündete, Deukalion solle die Knochen seiner Mutter über die Schultern werfen."
...
"Ovid war ein listiger Spieler, mein Schatz. Er packte seine bitterböse Kritik am Imperator in Metaphern, um sich der Verfolgung zu entziehen. Dennoch wurde er verbannt."Damit verschwindet Ovid wieder aus dem Roman. Zur Struktur der Erzählung trägt er nichts bei, schon gar nicht zur Lösung des Falles. Aber eine hübsche Trouvaille ist die Stelle doch.
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